Touren der Erinnerung


 
 
"Woher kommt der Hass auf Juden?"
Essay von Yehuda Bauer
Berliner Zeitung vom 08.10.2021

Der Ursprung des Judenhasses liegt im vorchristlichen Hellenismus. Syriens Seleukiden strebten danach, eine kulturelle und damit ethnisch-politische Einheit zu schaffen, indem sie versuchten, alle polytheistischen Glaubensbekenntnisse unter ein Dach zu bringen. Die Namen der Götter konnten verschieden sein, aber sie hatten dieselben Funktionen. Der König war ein Gott oder gottähnlich. Das konnten die meisten Juden der palästinensischen Provinz Syriens nicht verdauen, denn sie hatten sich von ihrem ursprünglichen Politheismus (Glaube an eine Vielzahl von männlich und weiblich gedachten Gottheiten, Vielgötterei) zu einer Anbetung eines einzigen, unsichtbaren Gottes entwickelt. Deswegen der Makkabäer-Aufstand.

Wären die Juden in ihrem Ländchen geblieben - mit einer relativ kleinen Diaspora in Babylon - , so wären sie wahrscheinlich ein interessantes, aber marginales Phänomen geblieben. Doch sie verließen über die Jahrhunderte ihr Land (dass sie von den Römern vertrieben wurden, ist Legende), so wie viele andere Bevölkerungen in den römischen und persischen Imperien es taten, und brachten ihre einzigartige Kultur, mit einer imposanten schriftlichen Basis versehen, in die sich später entwickelnden christlich und islamischen Welten.

Juden und ihre Kultur dienten als Blitzableiter in Krisen der die umgebenden Gesellschaften - durchaus nicht immer, und an den meisten Orten und während langer Zeitperioden war Judenfeindschaft kaum oder überhaupt nicht zu spüren. Die Fälle, in denen diese Feindschaft sich äußerte, in verschiedenen,  nicht immer gewalttätigen Ausdrucksweisen, nennen wir die  Geschichte des Antisemitismus. Das ist ein Unikum, und ja, spezifisch, aber nicht spezifisch deutsch. Vom Christentum und Islam beeinflußte Gesellschaften haben den Antisemitismus entwickelt.

In polytheistischen Ländern, zum Beispiel China, Indien, Japan (ausser bei einer kleinen Minderheit unter japanischen Christen), bei einer Mehrheit des menschlichen Geschlechtes ist Antisemitismus unbekannt.
 

Es gibt nichts Vergleichbares in der Geschichte der menschlichen Feindschaften:
Eine über Jahrtausende anhaltende Aversion gegen eine zerstreute Gruppe von Menschen, die einer besonderen Kultur anhängt, die ihrerseits einen großen und anhaltenden Einfluss auf die kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung ausgeübt hat und noch weiter ausübt.     .............

....... Trägt Deutschland Verantwortung für den Holocaust? 
Schuld bestimmt nicht - die Schuldigen waren die Täter, nicht ihre Nachkommen. Doch erbt eine Gesellschaft ihre Vergangenheit, ob sie nun  moralisch schön war oder nicht, denn die geistigen Strömungen, die die geschichtliche Entwicklung begleiten, sind multigenerationell.
Der Holocaust fand ja vor erst ca. 80 Jahren statt, eine viel zu kurze Zeitspanne,  als dass er so einfach vergessen  werden kann - Stichwort Schlussstrichdebatte.
Die riesigen Sammlungen von Dokumenten und Zeugenaussagen lassen das auch einfach nicht zu. Der Holocaust ist heute eine politische, kulturelle und gesellschaftliche Realität, die immerfort angesprochen wird - direkt und indirekt.

Deutschland schaut aber auch nicht weg, wenn es um das Verhältnis des Staates Israel zu den Palästinensern geht.

Die offizielle deutsche Politik verteidigt die Existenz Israels als einen unabhängigen jüdischen Staat - und das ist, mit Hinsicht auf die deutsche Vergangenheit, eine prinzipielle Sache und der daraus folgenden Staatsraison - . Sie unterstützt aber die Zweistaatenlösung und damit die Beendigung von Israels Besetzung palästinensischer Gebiete, also hauptsächlich der Westbank. In der deutschen Publizistik und im politischen Gespräch ist Kritik an der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern sehr verbreitet.
Wiedergabe des Essays auszugsweise
 

Man kann das Verhalten des Staates Israel gegenüber den Palästinensern nicht akzeptieren, keinesfalls darf es aber die Bedeutung des Holocausts herabwürdigen. 



Touristik-Institut Landsberg
Bertold Jetschke
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